IM FOKUS

Schulterschmerzen: Omarthrose

Ausgabe
9
Cover der IM FOKUS Ausgabe

Diagnose und Therapieoptionen bei Arthrose des Schultergelenks

In kaum einem Bereich der Orthopädie hat es in den zurück- liegenden Jahren so viele positive Veränderungen gegeben wie in der Behandlung von Schultererkrankungen. Dies gilt sicherlich in ganz besonderem Maße auch für die Behandlung der Omarthrose. Hier haben Innovationen in der Endo-prothetik zu einem Strategiewandel geführt. Galt der künstliche Gelenkersatz an der Schulter früher als risikoreich und mit eher schlechten Ergebnissen behaftet, ist er heutzutage in entsprechenden Zentren ein Routineeingriff mit exzellenten Ergebnissen. IM FOKUS möchte Sie wie gewohnt „aus der Praxis für die Praxis“ rund um das Thema Omarthrose informieren.

Bedeutung der Omarthrose

Bezogen auf die anderen großen Gelenke, das Kniegelenk und die Hüfte, ist die Arthrose der Schulter mit etwa 15 % der Arthrosen relativ selten. Nicht minder führt die Omarthrose beim Betroffenen im fortgeschrittenen Stadium zu einer ganz erheblichen Einschränkung der Lebensqualität. Die steigende Lebenserwartung in unserer Gesellschaft zusammen mit gestiegenen Ansprüchen an Lebensqualität und Aktivität im Alter machen es erforderlich, eine Omarthrose frühzeitig zu diagnostizieren und zu therapieren. Gerade im Bereich der Omarthrose und der Indikationsstellung zum künstlichen Gelenkersatz ist es in jüngster Zeit zu nicht unerheblichen Veränderungen in der Behandlungsstrategie gekommen.

Definition und Klassifikation

Omarthrose bezeichnet eine vom Gelenkknorpel ausgehende Verschleißerkrankung des Glenohumeralgelenkes. Sie geht klinisch mit Gelenkschmerzen sowie einer Verringerung der Gelenkbeweglichkeit einher. Radiologisch zeigen sich eine Abnahme des Gelenkspaltes, osteophytäre Anbauten und Zystenbildungen. Radiologische Veränderungen bei Osteoarthrose werden im Allgemeinen nach Kellgren und Lawrence eingeteilt. Hierbei werden die typischen radiologischen Veränderungen wie Ausbildung von Osteophyten-Gelenkspaltverschmälerung, Knochenzysten sowie Formveränderung der knöchernen Gelenkpartner beurteilt und in folgende Arthrosestadien eingeteilt:

Stadium 0: keine radiologischen Veränderungen
Stadium 1: fragliche Veränderungen
Stadium 2: geringgradige Veränderungen
Stadium 3: moderate Veränderungen
Stadium 4: schwere Veränderungen

Im klinischen Alltag wird der Schweregrad der Omarthrose überwiegend nach Samilson anhand der Größe des kaudalen Osteophyten eingeteilt:

Grad I: <0,5 cm
Grad II: 0,5–1,5 cm
Grad III: >1,5 cm

Röntgenaufnahme (a. p.) der rechten Schulter mit fortgeschrittener Omarthrose (Samilson Typ 3). Der obere rote Kreis markiert den aufgehobenen Gelenkspalt in der zentralen Messung, der untere rote Kreis markiert den kaudalen Osteophyten. Die blauen Kreise illustrieren das Ausmaß der Deformierung des Humeruskopfes. Dunkler Kreis Ist-Zustand; heller Kreis sphärische Ergänzung in Bezug zur erhaltenen Geometrie der Tuberkula und der Metaphyse. Aus: J. KIRCHER Die Omarthrose: Einteilung, Morphologie und Diagnostik 2012

Ätiologie

Man unterscheidet die primäre Omarthrose von den sekundären Omarthrosen.

Primäre Omarthrose

Der ursächliche Pathomechanismus der primären Omarthrose ist weitestgehend unbekannt. Genetische Faktoren und spezifische Bindegewebseigenschaften sowie die Zellbiologie sind seit geraumer Zeit mehr und mehr ins Zentrum der Grundlagenforschung geraten.

Sekundäre Omarthrosen

Alle Arthroseformen des Schultergelenks, die auf eine spezifische Ätiologie zurückgeführt werden können, werden den sekundären Omarthrosen zugeordnet. Diese Formen umfassen Arthrosen aufgrund von:

  • Infektion
  • Instabilität
  • Osteonekrose
  • Trauma mit direkter oder indirekter Schädigung des Gelenkknorpels
  • metabolischen Störungen
  • rheumatoider Arthritis
  • anderen Grunderkrankungen wie Hämophilie, Sichelzellanämie, Bestrahlungsfolgen
  • neurologischen Störungen wie Syringomyelie, Charcot- Arthropathie, Erb-Lähmung, zentrale Lähmung („cerebral palsy”), Morbus Parkinson
  • synovialer Chondromatose
  • Defektarthropathie

Omarthrose nach Schulterinstabilität

Die häufigste Ursache für die Entwicklung einer sekundären Omarthrose ist die Schulterinstabilität. Hierbei unterscheidet man zwischen Makroinstabilität, der Schulterluxation sowie Mikroinstabilität bspw. bei einer hyperlaxen Schulter. Omarthrosen nach Schulterluxationen werden typischerweise ca. 15–20 Jahre nach dem Erstereignis manifest. Sie treten bereits um das 40. Lebensjahr gehäuft bei Männern auf. Man nimmt an, dass neben der unmittelbaren Schädigung von Knorpel und Knochenstrukturen durch die Primärluxation sowie ggf. rezidivierende Luxationen es zu ungünstigen biologischen Effekten auf die Gelenkphysiologie kommt. Nach erlittener Schulterluxation bewirken intrinsische Reparaturmechanismen eine Verkürzung der ventralen Kapselband-Strukturen, die eine Außenrotationseinschränkung verursachen. Bei aktiver Außenrotation kommt es zu erhöhtem Druck auf die chondralen Gelenkflächen und einer vermehrten dorsalen Translation des Humeruskopfes. Schlussendlich entsteht ein fortschreitender Gelenkverschleiß.

Defektarthropathie

Die Defektarthropathie bezeichnet eine arthrotische Deformierung des Humeruskopfes infolge einer Rotatorenmanschetten- Massenruptur. Eine komplexe, ausgedehnte Ruptur der Rotatorenmanschette führt zu einer Dezentrierung des Humeruskopfes nach kranial. In der Röntgenaufnahme a. p. zeigt sich dementsprechend der typische Humeruskopfhochstand. Neben mechanischen werden auch nutritive Faktoren diskutiert, die für die Entstehung dieser sekundären Omarthrose verantwortlich sind.

Diagnose der Omarthrose

Die Diagnose Omarthrose wird in aller Regel klinisch und radiologisch gestellt.

Klinik

Die typischen klinischen Zeichen der Omarthrose sind wie bei anderen Gelenken auch Schmerzen, insbesondere Bewegungs-, aber auch Ruhe- bzw. nächtliche Schmerzen, Bewegungseinschränkung und Funktionsdefizit. Das Ausmaß der Symptomatik korreliert nicht zwangsweise mit dem Ausmaß der Arthrosen. Im fortgeschrittenen Stadium schränkt die Omarthrose die Lebensqualität stark ein und gefährdet die Selbstversorgung. Aufgrund der klinischen Symptomatik ist die primäre Capsulitis adhaesiva die wichtigste Differenzialdiagnose der Omarthrose.

Bildgebung

Zur primären Diagnostik der Omarthrose gehören Röntgenaufnahmen in Form von standardisierten Spezialaufnahmen („True“-a. p.-, „Outlet-view-“ oder Y-Aufnahme, axilläre Aufnahme). Das Ausmaß der Kopfkalottendeformation und die Größe der kaudalen Osteophyten zeigen sich aufgrund der Retrotorsion des Humeruskopfes oftmals besser in einer zusätzlichen a.p.-Aufnahme in Außenrotation. Die zusätzliche Bildgebung (Ultraschall und Magnetresonanztomografie) kann im Einzelfall wertvolle Zusatzinformationen über das Ausmaß degenerativer Veränderungen von Rotatorenmanschette, Muskulatur und Bizepssehne liefern. MRT bzw. Computertomografie stellen einen wesentlichen Baustein in der Operationsplanung in allen Fällen von massivem Glenoidverbrauch und bei primär dysplastischen Formen dar. Die primäre Omarthrose ist oftmals begleitet von einer dorsalen Dezentrierung des Gelenkes in der Transversalebene mit sekundären Pfannenveränderungen.

Konservative Behandlungsmöglichkeiten

Die konservative Therapie der Omarthrose beinhaltet zahlreiche Facetten. Die Behandlungsmethoden können folgenden Gruppen zugeordnet werden:

  • Allgemeine Maßnahmen und Prophylaxe
  • Physikalische Maßnahmen
  • Physiotherapie
  • Medikamentöse Therapie
  • Alternative Verfahren

Allgemeine Maßnahmen und Prophylaxe

Allgemeinmaßnahmen und Prophylaxe sind sicherlich ganz wichtige Säulen der Therapie von Knorpelschäden und der daraus resultierenden Arthrose. Eine Kernaussage lautet: „Bewegung ist gut – Überlastung ist schlecht!“ Runde, sanfte Bewegungen (Gymnastik, Schwimmen etc.) verbessern sowohl die Diffusion von Nährstoffen aus der Synovialflüssigkeit in den hyalinen Knorpel als auch den Tonus der gelenksteuernden Muskulatur. Stoßbelastungen oder abrupte Bewegungen (Wurf- und Schlagsportarten, Kampfsport etc.) führen bei vorhandenem Knorpelschaden eher zu einer Progredienz.

Physikalische Therapiemaßnahmen

Physikalische Therapiemaßnahmen umfassen insbesondere Thermo- (Kälte/Wärme), Elektro- oder Ultraschallbehandlung. Sie sind geeignet, eine Schmerzreduktion, eine Entzündungshemmung und/oder eine Verbesserung des Gelenkstoffwechsels durch die Induktion einer vermehrten lokalen Durchblutung zu bewirken.

Physiotherapie

Bei sämtlichen physiotherapeutischen Maßnahmen gilt es, durch die Behandlung des betroffenen Gelenks, aber auch der umgebenden Strukturen die Symptome der Omarthrose sowie den Progress der Arthrose selbst zu minimieren. Häufig stehen zunächst sämtliche physiotherapeutischen Maßnahmen im Vordergrund, die zur Reduktion der Schmerzen beitragen. Nächstes Ziel ist es, die im Rahmen einer Omarthrose auftretende progrediente Bewegungseinschrän- kung des Glenohumeralgelenks zu verbessern. Ursächlich für die Gelenksteife sind chronische Schmerzen, muskuläre Dysbalancen, Verklebungen von Faszien sowie eine zunehmende Osteophytenbildung. Es ist vor allem die Muskulatur, die für eine gute Führung des Gelenkes verantwortlich ist. Um den Progress der Omarthrose zu minimieren, ist es geboten, mit adäquaten Übungen eine Muskelkräftigung der Schultergürtelmuskulatur herbeizuführen. Das Schultergelenk ist zudem als Teil der Bewegungskette Wirbelsäule – Ellenbogen – Hand zu sehen. Die Detonisierung hypertoner und verkürzter Muskelgruppen sowie die Mobilisierung aller Gelenke der Bewegungskette haben eine große Bedeutung. Mangelnde Koordination und Propriozeption innerhalb der Bewegungskette können zu einer vermehrten Beanspruchung des Schultergelenkes führen. Koordinationsund Propriozeptionstraining sind deshalb ebenfalls fester Bestandteil der Behandlung. Die in der Praxis angewendeten Techniken umfassen insbesondere Krankengymnastik, Manuelle Therapie, Massagen, Reflexzonentechniken, Krafttraining, Koordinations- und Propriozeptionstraining und Osteopathie. Je früher eine solche komplexe Behandlung einsetzt, desto effektiver ist sie.

Medikamentöse Maßnahmen

Diese umfassen die systemische, oberflächliche oder intraartikuläre Applikation von Medikamenten. Als Stoffgruppen stehen insbesondere Analgetika, nicht-steroidale Antiphlogistika, Kortisonpräparate sowie Homöopathika zur Verfügung. Die Empfehlung der orthopädischen Fachgesellschaften zum Einsatz von Hyaluronsäure bei Arthrose gilt auch für die Omarthrose. Wir selbst sehen recht gute Ergebnisse beim Einsatz von Hyaluronsäure bei milder Omarthrose (Grad 1 und 2). Bei fortgeschrittener Omarthrose sind die mittel- und langfristigen Ergebnisse meist unbefriedigend. Eine weitere Therapiealternative stellt die intraartikuläre Applikation von biotechnologisch aufbereiteten körpereigenen Entzündungshemmern, z. B. Autologous Conditioned Plasma, ACP, dar. Hierzu ist die Studienlage recht bescheiden.

Alternative Verfahren

Es gibt eine nahezu unüberschaubare Menge an alternativen medikamentösen Therapieversprechen zur Prophylaxe und Behandlung von Knorpelschäden. Häufig handelt es sich hierbei um oral einzunehmende Substanzen, deren Wirkmechanismus teilweise ungeklärt ist und bei denen valide, vergleichende Studienergebnisse fehlen. Kritisch formuliert kann man von solchen Substanzen allenfalls einen Placeboeffekt erwarten. Weitere alternative Methoden sind Akupunktur und die Magnetfeldtherapie, die vor allem zur Schmerzreduktion dienen. Ein der Magnetfeldtherapie von manchen Seiten zugeschriebener Einfluss auf die Regeneration von Knorpelgewebe ist nicht sicher nachgewiesen und hat keine praktische Relevanz.

Operative Behandlungsverfahren

Die operativen Behandlungsmethoden chondraler Schäden bzw. der Arthrose unterscheiden sich nicht grundsätzlich von denen anderer Gelenke.

Arthroskopische Gelenklavage und Knorpelglättung

Die arthroskopische Gelenkspülung und Knorpelglättung (Chondroplastik) ist die einfachste operative Maßnahme zur Behandlung von Knorpelschäden. Hierbei wird Knorpeldetritus, das sind frei umherschwimmende oder lose Knorpelteile, aus dem Gelenk gespült. Zusätzlich wird ggf. die Oberfläche des geschädigten Knorpels sehr vorsichtig geglättet, um mechanisch störende Unebenheiten der Oberfläche zu beseitigen. In aller Regel zeigt eine solche Prozedur, für sich allein durchgeführt, allenfalls kurzfristigen Erfolg. Sie sollte deshalb nur ausnahmsweise zur Anwendung kommen.

Mikrofrakturierung / Pridiebohrungen

Bei lokal begrenzten Knorpelschäden 4. Grades, d. h. Knorpelschäden, die vollschichtig bis auf den Knochen reichen, kann durch Mikrofrakturierung bzw. Pridiebohrungen die Bildung von Ersatzknorpelgewebe stimuliert werden. Hierbei wird die Kortikalis des Knochens im Bereich des Knorpelschadens im Rahmen einer arthroskopischen Operation mit entsprechenden Instrumentarien perforiert. Mit der verletzungsbedingten Blutung kommt es zum Austritt von Stammzellen aus dem Knochenmark, die die Bildung von Ersatzfaserknorpel induzieren. Eine Mikrofrakturierung ist dann sinnvoll, wenn lediglich ein umschriebener 4-gradiger Knorpelschaden vorliegt und der übrige Gelenkknorpel jedoch weitestgehend intakt ist.

Chondrozyten-Transplantation

Für die Chondrozyten-Transplantation müssen im Rahmen einer Arthroskopie Knorpelzellen entnommen und im Labor unter einer Nährlösung gezüchtet werden. Bei einem zweiten Eingriff werden mit speziellen Techniken die Chondrozyten in den Defektbereich eingebracht. Zielsetzung ist ein vollständiges Ausheilen des Knorpelschadens mit körpereigenem, hyalinem Knorpel. Leider ist derzeit die Indikation für dieses grundsätzlich vielversprechende Verfahren sehr eingeschränkt. Zurzeit können nur Patienten mit umschriebenem Knorpelschaden behandelt werden. Die Anwendung bei fortgeschrittenem, multifokalem Knorpelschaden oder fortgeschrittener Arthrose ist nicht möglich. Für die Methode müssen die Patienten sorgfältig ausgesucht werden. Insgesamt ist bei diesem innovativen Behandlungsverfahren in Zukunft mit Weiterentwicklungen zu rechnen, um es dann häufiger bei Knorpelerkrankungen einsetzen zu können.

Schulterendoprothese

Bei fortgeschrittener Omarthrose ist die operative Versorgung mit einer Schulterendoprothese in aller Regel die Therapie der ersten Wahl. Gerade im Bereich der Schulterendoprothetik ist es in den letzten Jahren, dank der Entwicklung neuer Prothesentypen und der Verbesserung des Designs, zu enormen Fortschritten gekommen. Waren früher die klinischen Ergebnisse nach Gelenkersatz an der Schulter eher mäßig, zeigen sich inzwischen hervorragende Ergebnisse. Die Standzeiten von Schulterprothesen liegen heute im Bereich derer von Hüft- und Knieendoprothesen, d. h. von mehr als 15 Jahren. Eine Folge der hohen Patientenzufriedenheit spiegelt sich unter anderem auch in den deutlich steigenden Operationszahlen wider.

Wann ist ein endoprothetischer Gelenkersatz indiziert?

Die entscheidende Frage, die wir unseren Patienten beantworten müssen, lautet: „Wann ist der „richtige“ Zeitpunkt für den Gelenkersatz?“ Vorrangig muss hierzu sicherlich die Lebensqualität des Patienten evaluiert werden. Wenn konservative Therapiemaßnahmen nicht dazu führen, dass der Patient, ggf. auch unter Inkaufnahme von leichten Beschwerden, die Aktivitäten, die ihm persönlich wichtig sind, schmerzarm durchführen kann oder häufig Ruhe- bzw. nächtliche Beschwerden bestehen, sollte bei fortgeschrittener Arthrose eine Gelenkersatz- Operation der Schulter dringend erwogen werden. Selbstverständlich gibt es eine Reihe von Faktoren, die auf die Entscheidung pro oder contra Endoprothese Einfluss nehmen:

Alter des Patienten

Bei einem älteren, ggf. polymorbiden Patienten müssen Operationsrisiko und „Aufwand/Nutzen aus Patientensicht“ berücksichtigt werden. Es ist sicherlich richtig, dass schmerzfrei mobil sein um so wichtiger ist, je jünger ein Patient ist. Gerade für sehr junge Patienten muss jedoch die, mit durchschnittlich 15 bis 20 Jahren zwar recht lange, jedoch limitierte Haltbarkeit von Prothesen und die Komplexität einer ggf. konsekutiv notwendigen Prothesenwechsel-OP berücksichtigt werden. Es muss jedoch auch klar sein, dass nach künstlichem Gelenkersatz eine Rückkehr zu leistungsorientiertem, Schulter belastendem Sport wie Tennis, Kraftsport etc. nicht empfohlen werden kann.

Ausmaß der Arthrose

Es sollten sicherlich „keine Röntgenbilder operiert werden“, es ist aber auch wichtig, nicht den richtigen Zeitpunkt für einen endoprothetischen Gelenkersatz zu verpassen. Es sollten deshalb die Patienten sehr genau über die möglichen Nachteile eines Hinauszögerns einer Gelenkersatzoperation bei stark fortgeschrittener Omarthrose mit deutlich verringertem Gelenkspalt und massiven kaudalen Osteophyten aufgeklärt werden. Eine fortgeschrittene Erosion des Glenoids kann aufgrund des sehr begrenzten Knochenlagers einen endoprothetischen Gelenkersatz erheblich erschweren oder im schlimmsten Falle sogar unmöglich machen. Die Bestimmung des richtigen Zeitpunkts zum endoprothetischen Gelenkersatz ist eine wichtige ärztliche Aufgabe, die auf Basis von fundiertem medizinischen Wissen und dem Wissen um die individuellen Bedürfnisse und Erwartungen des Patienten getroffen werden muss.

Welche Schulterprothese ist „die beste“?

Das Spektrum der Indikationen zum Schultergelenkersatz reicht von der klassischen degenerativen Omarthose über komplexe Humeruskopffrakturen, posttraumatisch verursachte Gelenkdefekte, instabilitätsassoziierte Omarthrosen bis hin zu rheumatischen oder tumerösen Gelenkdefekten. Je nach Indikation sollte die Versorgung mit einer Hemiprothese, wobei nur der verschlissene Humeruskopf ersetzt wird, einer anatomischen Totalendoprothese, bei der Kopf und Pfanne ersetzt werden, oder einer Inversen Totalendoprothese, deren biomechanisches Prinzip auf der Artikulation eines konvexen Glenoidkörpers mit einem konkaven Gelenkpartner im Humerus beruht, erfolgen.

Hemiprothese

Die Indikation zur Implantation einer Schulterhemiprothese, d. h. ein Ersatz des Humeruskopfes, ohne dass die Gelenkpfanne ersetzt wird, besteht bei fortgeschrittener Schädigung des Humeruskopfes und relativ guten Pfannenverhältnissen wie z. B. bei Humeruskopfnekrose, frühem Stadium der Omarthrose, ohne dass eine Dezentrierung des Humeruskopfes vorliegt, oder nach komplexer Humeruskopffraktur. Man unterscheidet hierbei Kappen-, Kopf- und Stielprothesen.

Kappenprothese

Die Schulterkappenprothese ist ein Oberflächenersatz des Humeruskopfes, bei dem der verschlissene Humeruskopf mit einer Metallkappe überkront wird. Der Vorteil dieser reinen „Resurface-Prothesen“ besteht darin, dass eine maximale Menge an Eigenknochen belassen wird, was für eine spätere eventuelle Revision ideal ist. Das Prinzip dieser Prothesen beruht auf einer Pressfitverankerung.

Kopfprothese

Das Prinzip der Kopfprothese beruht wie bei einer Stielprothese auf einer Kopfresektion in Höhe des anatomischen Halses, wobei nachfolgend die Verankerung des neuen Kopfes im collum humeri erfolgt, ohne dass wie bei der Stielprothese ein Stem im Humerusschaft implantiert wird. Vorteil der Kopfprothese ist die Möglichkeit, die anatomischen Verhältnisse exakt zu rekonstruieren, sowie gute Rückzugsmöglichkeiten im Falle einer Revision. Die Kopfprothese ist auch als Totalendoprothese, d. h. mit gleichzeitigem Pfannenersatz, implantierbar. Indikationen zu Kopfprothesen sind primäre und posttraumatische Arthrose, Humeruskopfnekrosen sowie sekundäre Arthrosen bei rheumatoider Arthritis

Stielprothese

Die Indikation zur Stielprothese als Hemiprothese besteht in Fällen, bei denen infolge schlechter Knochenqualität oder im Rahmen von Frakturen eine Kopfprothese nicht mehr primär stabil verankert werden kann.

Anatomische Totalendoprothese

Bei längerer Zeit bestehender Omarthrose kommt es häufig zu einem deutlichen dorsalen Abrieb der Gelenkpfanne mit konsekutivem dorsalen Subluxationsphänomen des Humeruskopfes. Diese Form der Omarthrose bezeichnet man als exzentrische Omarthrose. Bei Vorliegen einer exzentrischen Omarthrose ist die Implantation einer Totalendoprothese indiziert, d. h. es müssen sowohl der Humeruskopf als auch das Glenoid endoprothetisch versorgt werden. Die nunmehr IV. Generation der Schulterprothesen ermöglicht zum einen eine anatomische Rekonstruktion, zum anderen ermöglicht ihre Modularität einen eventuellen Wechsel von verschlissenen Komponenten. Auch das Design der neuen Gelenkpfannen hat sich im Vergleich zu den früheren Generationen deutlich gewandelt. Frühere Gelenkpfannengenerationen wiesen den gleichen Krümmungsradius wie der Prothesenkopf auf. Durch exzentrische Glenoidbelastungen kam es gehäuft zu frühzeitigen Pfannenlockerungen („Rocking Horse“-Phänomen). Um diese exzentrischen Belastungen zu vermeiden, wurden Gelenkpfannen entwickelt, deren Radius größer ist als der dazu passende Prothesenkopf, was wir auch als Mismatch bezeichnen. Studien zeigen, dass Totalprothesen bezüglich der Funktion und der Schmerzfreiheit exzellente Ergebnisse liefern.

Inverse Schulterprothese

Inverse Schulterprothesen, deren Entwicklung in den 80er- Jahren begann, zeigen eine Umkehrung der normalen anatomischen Verhältnisse. Statt eines konvexen Oberarmkopfes weist die inverse Schulterprothese einen konkaven Kopf und statt einer konkaven Pfanne einen konvexen Kopf (Glenosphäre) auf. Hierdurch wird das Drehzentrum des Gelenkes verlagert und die Kraftübertragung erfolgt fast ausschließlich über den Musculus deltoideus. Die Hauptindikation stellt dementsprechend die fortgeschrittene Defektarthropathie mit begleitender, komplexer Ruptur der Rotatorenmanschette dar. Die inverse Schulterendoprothetik ist das sich am schnellsten entwickelnde Gebiet in der Schulterendoprothetik der letzten 10 Jahre. Technische Neuerungen führen zu guten bis sehr guten klinischen Ergebnissen, d. h. zu einer sehr guten Schmerzlinderung und einer sehr guten funktionellen Verbesserung, insbesondere in Fällen, in denen bisher eine Hemiprothese oder eine anatomische Schulterprothese nur schlechte Ergebnisse erzielen konnten. Die Designverbesserungen der inversen Prothesen und Behebung des vormals kritischen Notchingphänomens führen zudem zu einer niedrigen Lockerungsund Revisionsrate


Das Rotationszentrum des Schultergelenks liegt bei der anatomischen Prothese latero-caudal der Artikulationsfläche, während es bei der inversen Prothese deutlich nach medio-cranial verlagert wird (vgl. blaue Punkte). Hierdurch vergrößert sich der Hebelarm des Delta-Muskels erheblich, was zur Folge hat, dass der Patient auch ohne funktionierende Rotatorenmanschette eine gute Abduktions- und Elevationskraft wiedererlangt. Auch die Biomechanik und damit die Kreisbahn, auf der sich der Oberarm bei Abduktion bewegt, sind hierdurch verändert (vgl. blaue Pfeile).

Aus der Praxis für die Praxis

Intraartikuläre Injektionen sind ein wichtiger Bestandteil in der Behandlung orthopädischer Erkrankungen. Die richtige Technik ist dabei ausschlaggebend. Wir möchten Ihnen eine in unserer täglichen Arbeit häufig durchgeführte Injektionstechnik, die intraartikuläre Infiltration des Glenohumeralgelenkes, darstellen.
Bei allen Infiltrationen muss der Patient über potenzielle Risiken und mögliche Komplikationen intraartikulärer Injektionen aufgeklärt werden. Die Aufklärung sollte in der Patientendatei dokumentiert werden. Eine schriftliche Einverständniserklärung ist vonseiten des Gesetzgebers nicht explizit gefordert, würde aber im Falle einer Komplikation den Nachweis einer korrekt durchgeführten Aufklärung erleichtern. Das Injektionsgebiet sollte weiträumig von Kleidung befreit sein und ggf. sollten längere Haare mit einer Schere gekürzt werden. Es muss eine sorgsame, großflächige Sprüh-Desinfektion durchgeführt werden (Einwirkzeit des verwendeten Hautdesinfektionsmittels beachten!). Das Tragen von sterilen Handschuhen ist bei intraartikulären Injektionen zwingend erforderlich. Ein Mundschutz ist immer dann erforderlich, wenn es bei der Injektionsbehandlung zu einer Diskonnektion von Spritze und Kanüle kommt (z. B. bei Infiltration mehrerer Substanzen nacheinander oder bei Gelenkpunktion und nachfolgender Infiltration über die liegende Kanüle). Steriles Abdecken des Gelenks (Lochtuch) wird von den Fachgesellschaften nicht gefordert. Vor der Injektion muss ein Aspirationstest zur Vermeidung einer intravasalen Injektion erfolgen.

Lagerung

Der sitzende Patient lässt den Arm herabhängen und rotiert ihn nach außen.

Vorgehen:

Palpation des dorsolateralen Acromionrandes, der als Leitstruktur dient, mit der freien Hand. Die Injektionsnadel (20–23 G, Länge 40–70 mm) wird von dorsal, etwa 2 cm distal und 2 cm medial des inferioren dorso-lateralen Acromionecks horizontal in Richtung des ventral zu palpierenden Processus coracoideus in eine Tiefe von ca. 5 cm vorgeschoben. Die Penetration der dorsalen Gelenkkapsel ist durch „loss of resistance“ gut spürbar. Nach Aspirationstest erfolgt die Infiltration (Volumen 5 bis 10 ml). (Abbildung oben)

Intraartikuläre Therapie mit Hyaluronsäure bei Arthrose

Für die sachgerechte Aufklärung ihrer Patienten mag die nachfolgende aktuelle Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) zur intraartikulären Therapie mit Hyaluronsäure bei Arthrose hilfreich sein:

Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient,

Ihre Ärztin / Ihr Arzt hat Ihnen eine Therapie mit Hyaluronsäure als intraartikuläre Spritzentherapie vorgeschlagen. Voraussetzung für solch eine Therapieform sind die korrekte Indikationsstellung und die fachgerechte und sterile Anwendung der Substanz. Wir möchten Sie jedoch darauf hinweisen, dass die Wirksamkeit des Behandlungsverfahrens umstritten ist. Hyaluronsäure wird seit mehreren Jahrzehnten bei der symptomatischen Behandlung von Arthrosen unterschiedlicher Gelenke (bei Menschen und bei Tieren) eingesetzt. Es gibt eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen zur Wirksamkeit dieser Therapieform. Nicht alle Untersuchungen zeigen eine eindeutige Wirksamkeit dieser Therapieform, die verschiedenen Untersuchungen unterscheiden sich jedoch in der Methodik zum Teil erheblich. Verschiedene Organisationen haben zu der Wirksamkeit dieser Therapieform Stellung genommen. Einige, so die amerikanische Gesellschaft für Orthopädische Chirurgie (AAOS), geben aufgrund von mathematischen Berechnungen keine Empfehlung für diese Therapieform. Nun zeigt sich jedoch (Arthroscopy. 2014 Jan;30(1):86-9. doi: 10.1016/j. arthro.2013.10.007.Did the American Academy of Orthopaedic Surgeons osteoarthritis guidelines miss the mark? Bannuru RR1, Vaysbrot EE2, McIntyre LF3), dass die von der AAOS verwendeten mathematischen Modelle gar nicht für solch eine Aussage zu verwenden sind. Trotzdem beziehen sich manche Versicherungen bei der Erstattung der Kosten für diese Therapie auf die Aussage der AAOS. Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) möchten darauf hinweisen, dass die Therapie mit Hyaluronsäure als intraartikuläre Injektion ein wichtiger Bestandteil der konservativen Arthrosetherapie ist.

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